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Impfen - die wichtigsten Fragen und Antworten

Gastautorin - Silke Plagge

In Deutschland besteht keine Impfpflicht. Die Entscheidung für oder gegen das Impfen liegt allein bei den Eltern. Um so wichtiger ist es, dass sich Mütter und Väter über Vor- und Nachteile informieren. Wir haben die häufigsten Fragen gesammelt.

Lesezeit: Etwa 7 Minuten
Kuscheltier wird geimpft

Schützt wie ein Helm

 

Mittlerweile sind rund 95 Prozent der Schulanfänger gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung und  mindestens einmal gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft. Doch noch immer erkranken Kinder an Krankheiten, gegen die es Impfungen gibt. Das Robert-Koch-Institut schreibt: „Früher gab es die Möglichkeit einer Schutzimpfung für viele Krankheiten nicht, so wie es früher auch keinen Anschnallgurt im Auto, keinen Motorradhelm oder keinen schützenden Fahrradhelm gegeben hat. Heute gibt es all diese Schutzmöglichkeiten, und sie werden selbstverständlich genutzt.“ Und genau dieser Schutz sollte auch bei Krankheiten gelten – Impfungen schützen wie Helme.

Warum tun sich einige Eltern so schwer mit dem Impfen?

Mütter und Väter sind oft verunsichert und in Sorge. Warum ist das Impfen denn keine Pflicht – es muss also auch Nachteile geben? Sie lesen von Impfschäden, fürchten sich vor Nebenwirkungen und Inhaltsstoffen. Eltern müssen sich sehr genau überlegen, was sie für sich und ihr Kind möchten. Viele Impfgegner argumentieren allerdings mit veralteten oder nie belegten Studien. Oft werden die Diskussionen aus Sorge um die Kinder sehr emotional geführt. Das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut forschen und informieren seit langem zum Thema Impfen. Ihre Experten haben die Antworten auf die häufigsten Elternfragen zum Thema Impfen verfasst.

Die 14 häufigsten Fragen zum Impfen:

 

1. Ist die Wirksamkeit von Impfungen wirklich belegt?

Ein Impfstoff erhält nach geltendem Arzneimittelrecht nur dann eine Zulassung, wenn nachgewiesen ist, dass er auch wirksam ist. Hersteller müssen den Nachweis in experimentellen und klinischen Studien erbringen. Diese wissenschaftlichen Belege werden auf EU-Ebene unter der Regie der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency) geprüft. In Deutschland liegt die Verantwortung beim Paul-Ehrlich-Institut als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.
Wichtig ist vor allem der Praxistest. So lässt sich nachvollziehen, dass mit dem Beginn des Routineeinsatzes der jeweiligen Impfstoffe die entsprechende Infektionskrankheit deutlich zurückgedrängt wurde. Ein bekanntes Beispiel ist die Einführung der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung Anfang der sechziger Jahre. Während in der Bundesrepublik im Jahr 1961 noch fast 4.700 Kinder an Kinderlähmung (Poliomyelitis) erkrankten, waren es vier Jahre später bereits weniger als 50 Kinder.

2. Müssen Impfungen ständig wiederholt werden um zu schützen?

Das ist von Impfstoff zu Impfstoff unterschiedlich. Bekommt ein Kind beispielsweise im Rahmen der sogenannten Grundimmunisierung zwei Mal eine Kombinationsspritze gegen Masern, Mumps und Röteln, ist davon ausgehen, dass der Impfschutz gegen Masern und Röteln tatsächlich ein Leben lang währt.
Bei Tetanus, Diphtherie, Polio oder Keuchhusten ist das anders. Die Impfung gegen diese Krankheiten schützen fünf bis zehn Jahre – danach sollte sie aufgefrischt werden. Kürzer ist der Schutz gegen Grippe: da sich die Erreger enorm schnell verändern, müssen anfällige Menschen jedes Jahr neu geimpft werden. Die jährliche Grippeschutzimpfung kann bei chronisch Kranken oder alten Menschen das Risiko für lebensbedrohliche Erkrankungsverläufe verringern. Auch die Immunisierung gegen Tetanus im 10-Jahres-Turnus ist ein geringer Aufwand, bedenkt man die Schwere der Krankheit.

3. Wer eine Infektionskrankheit hatte ist aber auch ohne Impfen immun, oder?

Nein, sowohl an Tetanus als auch an Diphtherie oder Keuchhusten kann man mehrfach im Leben erkranken. Es sind sogar einige Fälle bekannt, in denen Menschen zweimal an Masern erkrankten. Daher ist Impfung durchaus ratsam.

4. Aber eine Impfung schützt doch gar nicht immer vor der Krankheit?

Keine einzige Impfung kann wirklich alle schützen, genauso wie kein Medikament bei sämtlichen Patienten wirkt.
Impfungen können die Erkrankungswahrscheinlichkeit aber deutlich senken. Ein fiktives Beispiel zur Verdeutlichung: In einer Grundschule träte eine Masernepidemie auf. Die eine Hälfte der Schüler wäre geimpft, die andere nicht. Statistisch gesehen würden etwa 97 bis 98 Prozent der nicht geimpften Schüler erkranken, wohingegen unter den Geimpften nur zwei bis drei Prozent erkrankten. Bei der Grippeimpfung dagegen ist die Wirkung weniger gut. Je nach Alter und Gesundheitszustand schützt sie etwa 40 bis 75 Prozent der Geimpften vor Grippe, wobei die Impfung bei alten Menschen in der Regel am schlechtesten anschlägt.
Eine nicht rechtzeitig durchgeführte Auffrisch-Impfung oder ein noch unvollständig aufgebauter Immunschutz kann die Impfung weniger effektiv werden lassen. Deswegen müssen die klassischen Kinder-Schutzimpfungen zunächst mehrfach nach einem zeitlich geregelten Schema wiederholt werden, bevor man mit einer zuverlässigen und dauerhaften Schutzwirkung rechnen kann.

5. Bewirkt das Durchmachen von Krankheiten nicht einen besseren Schutz für die kindliche Entwicklung?

Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass sich nicht geimpfte Kinder geistig oder körperlich besser entwickeln als Geimpfte. Schutzimpfungen richten sich gegen rund ein Dutzend Erreger – mit hunderten weiteren Erregern muss sich das Immunsystem täglich auseinandersetzen. Auch die Impfung trainiert das Immunsystem. Es steht außerdem fest, dass Kinder durch Infektionen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden können und gesundheitliche Komplikationen bis hin zu Todesfällen die Folge sein könnten. Genau das lässt sich mit der Hilfe von Impfungen vermeiden.

6. Kinderkrankheiten sind doch eigentlich harmlos?

Auch so genannte Kinderkrankheiten können sehr drastisch verlaufen. Zum Beispiel  Masern: Ungefähr bei einem von 1.000 Kindern, die an Masern erkranken, entwickelt sich eine Entzündung des Gehirns, die sogenannte Masern-Enzephalitis. Die führt häufig zu bleibenden Hirnschäden und kann tödlich verlaufen. In etwa einem von einer Million Fällen tritt eine solche Enzephalitis auch nach der Impfung auf – das ist jedoch tausend Mal seltener als bei der Erkrankung selbst. Mit einer Impfung können die bei Masern recht häufig auftretenden Fieberkrämpfe vermieden werden. Während die Krämpfe ungefähr einen von 15 Masernkranken betreffen, leidet von 100 Geimpften nur einer darunter. Vergleichbares gilt für Kinderkrankheiten wie Mumps oder Röteln.

7. Birgt eine früh durchgeführte Impfung für Kinder Risiken?

Einige Infektionen treffen Säuglinge deutlich schwerer als ältere Kinder – darin liegt ein wesentlicher Grund, warum Babys bereits nach dem vollendeten zweiten Lebensmonat gegen diese Erkrankungen geimpft werden. Es ist nicht belegt, dass Säuglinge Impfungen generell schlechter vertragen als ältere Kinder. Bei extrem Frühgeborenen, die vor der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, sollten zwar nach bestimmten Impfungen Herz- und Lungenfunktion überwacht werden, um etwaige Impfkomplikationen schnell erkennen zu können, jedoch sind Frühgeborene auch gegen Infektionen anfälliger. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis spräche auch hier für die Impfung.

8. Überlasten viele Impfungen und Mehrfachimpfstoffe das Immunsystem kleiner Kinder nicht zu sehr?

Kinder werden heute gegen mehr Krankheiten geimpft als früher. Die Zahl der dabei übertragenen Fremdmoleküle, der sogenannten Antigene, hat sich aber deutlich verringert. Grund dafür ist, dass die modernen Impfstoffe hoch gereinigt sind und meist nur einzelne Bestandteile der Erreger enthalten. Das kindliche Immunsystem setzt sich täglich mit einer vielfach größeren Menge von Fremdmolekülen auseinander, als dies bei Impfungen der Fall ist.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Mehrfachimpfstoffe das Abwehrsystem überlasten. Bekannt ist allerdings, dass bestimmte Teilkomponenten der Kombi-Impfungen das Immunsystem schwächer stimulieren als gäbe man sie alleine, weshalb beispielsweise vier statt drei Impfspritzen notwendig sein können. Letztlich kann aber die Zahl der erforderlichen Spritzen durch Mehrfachimpfstoffe deutlich reduziert werden. Bis zu sechs Impfstoffe – gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Haemophilus influenzae, Polio und Hepatitis B – lassen sich heute in einem einzigen Impfstoff kombinieren. Hier müssen Eltern abwägen und sich mit ihrem  Kinderarzt besprechen, was genau für das einzelne Kind der beste Schutz ist.

9. Verursachen Impfungen die Erkrankungen, gegen die sie schützen sollen?

Es gibt Impfstoffe, die krankheitsähnliche Symptome hervorrufen – eine voll ausgeprägte Erkrankung entwickelt sich aber praktisch nie. Bekanntestes Beispiel sind die “Impfmasern”. Der Masernimpfstoff enthält ein abgeschwächtes Lebendvirus, daher kommt es bei rund fünf Prozent der Geimpften nach etwa einer Woche zu einem masernartigen Hautausschlag. Eine voll ausgeprägte Masernerkrankung tritt aber nicht auf. In der Folge von Impfungen können mitunter Fieber, Übelkeit oder Schläfrigkeit sowie Schwellungen und Rötungen an der Injektionsstelle auftreten. Das ist aber die Reaktion des gesunden Immunsystems und ein Zeichen für eine zukünftig gute Immunität gegen die Erkrankung.

10. Sind Nebenwirkungen und Risiken von Impfungen nicht unkalkulierbar?

Impfstoffe können Nebenwirkungen haben. Eine Hauptschwierigkeit liegt hier in der Risikobewertung: Impfungen sind so häufig, dass viele Gesundheitsstörungen ganz zufällig nach der Immunisierung auftreten können. Es gibt aber keine Nachweise darüber, dass Autismus, Diabetes oder selbst Multiple Sklerose durch Impfungen ausgelöst werden könnten. Die Ergebnisse zahlreicher Studien sprechen gegen einen Zusammenhang zwischen Impfungen und den genannten Krankheiten.

11. Enthalten Impfstoffe gefährliche Chemikalien, mit denen die Kinder vergiftet werden?

Es stimmt, das in einigen Impfstoffen Formaldehyd, Aluminium, Phenol oder Quecksilber enthalten – aber in äußerst geringen Konzentrationen (weit unterhalb toxikologischer Grenzwerte). Die Substanzen dienen beispielsweise dazu, um Impfviren abzutöten (Formaldehyd), die Immunantwort zu verstärken (Aluminiumhydroxid) oder den Impfstoff haltbar zu machen (Phenol). Zwei Mediziner aus den USA vertraten die These, dass das quecksilberhaltige Konservierungsmittel „Thiomersal“ im Zusammenhang mit Autismus-Erkrankungen stünde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die europäische Arzneimittelbehörde EMA sind allerdings zu dem Schluss gelangt, dass die verfügbaren Studien gegen einen solchen Zusammenhang sprechen. Die Pharmahersteller haben reagiert: Für alle generell empfohlenen Schutzimpfungen sind inzwischen quecksilberfreie Impfstoffe verfügbar.

12. Warum raten dann auch Ärzte vom Impfen ab?

Jeder Patient muss individuell gesehen werden. Sicher gibt es Fälle, etwa wenn ein Kind herzkrank ist, in denen Impfungen nicht möglich sind. Auch bei Medizinern spielen persönliche Erfahrungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen eine wichtige Rolle. Eine alternativmedizinische Ausrichtung muss der Idee des Impfschutzes aber nicht unbedingt widersprechen. Viele naturheilkundlich oder homöopathisch ausgerichtete Ärzte empfehlen inzwischen explizit bestimmte Impfungen, etwa gegen Masern.

13. Sind Impfungen überflüssig, weil die Krankheiten zum Beispiel mit Antibiotika behandelt werden können?

Gegenüber Viren sind Antibiotika unwirksam. Es gibt es bis heute keine Arzneimittel, die gegen Viren so wirksam sind wie Antibiotika gegen Bakterien. Zudem sind auch einige bakteriellen Erkrankungen äußerst schwer zu behandeln. Tetanusinfektionen, bakterielle Hirnhautentzündungen und Keuchhusten können selbst unter modernen Behandlungsbedingungen tödlich verlaufen.
Impfung und Therapie sind zudem keine gegensätzlichen Optionen, sondern Teil derselben Schutzkette. Mitunter verhindert die Impfung zwar nicht die Infektion, aber ihre schwersten Verläufe.

14. Und woher weiß ich, welche Impfungen wichtig sind?

Die meisten Ärzte halten sich an die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), betrachten aber auch den einzelnen Patienten. Der Kinderarzt wird bei den U-Untersuchungen auch auf die Impfungen hinweisen und mit den Eltern besprechen, wann er oder sie zu welcher Impfung rät. Ein erkältetes oder erkranktes Kind darf nicht geimpft werden.

Quelle und weitere Informationen: Robert-Koch-Institut