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Rituale - warum sie so gut für euer Familienleben sind

Autorin - Melanie Schüer

Ob beim Einschlafen, beim Essen oder an Feiertagen: Immer wieder ist von Ritualen für Kinder die Rede. Und das nicht zu Unrecht, denn Rituale beeinflussen Kinder positiv in ihrer Entwicklung und prägen ihre Erinnerungen an ihr Aufwachsen. Viele Rituale entwickeln sich quasi nebenbei, andere nur, wenn wir Eltern sie bewusst gestalten.

Lesezeit: Etwa 6 Minuten
Vater liegt mit seinen drei Söhnen auf dem Bett und liest aus einem Buch vor.

Warum Rituale für Kinder wichtig sind

Rituale geben Kindern Sicherheit und Orientierung, weil sie ihren Alltag und auch wiederkehrende besondere Situationen strukturieren und durch die Rituale automatisch kindliche Bedürfnisse erfüllt werden. Rituale sind wie ein roter Faden, der Halt bietet. Auf diese Weise bedeuten Rituale für Kinder Geborgenheit und können Stress reduzieren, weil sie Abläufe besser vorhersehbar machen. Bei Veränderungen können bestimmte Rituale, die beibehalten werden, Ängste reduzieren. Auch helfen Rituale Kindern, sich emotional auf Situationen einlassen zu lernen und Zusammenhalt zu erleben sowie sich selbst zu organisieren.  Durch diese verschiedenen Aspekte fördern Rituale auf vielfältige Weise die emotionale kindliche Entwicklung.

Rituale für Kleinkinder

Im Kleinkindalter sollten Rituale nicht zu lang und aufwendig sein, weil die Aufmerksamkeitsspanne altersbedingt noch kurz ist (ca. 2 bis 10 Minuten). Gleichzeitig legen Kleinkinder oft besonders viel Wert auf wiederkehrende Routinen und können richtig wütend werden, wenn diese nicht eingehalten werden. Sinnvolle Rituale sind z. B. eine gleichbleibende Verabschiedung vor dem Kindergarten, gemeinsame Mahlzeiten z. B. verbunden mit einem Lied, sowie einem Abendritual, das zum Beispiel aus Vorlesen, Singen und Kuscheln bestehen kann. Auch im Kindergarten fördern Rituale wie ein Morgenkreis das kindliche Wohlbefinden.

Rituale für Schulkinder

“So, einmal drücken und dann viel Spaß in der Schule!” – eine herzliche Umarmung kann ein schönes Abschiedsritual vor dem Antritt des Schulwegs sein. Kindern fällt der Schulbesuch nicht immer leicht. Es passiert vielleicht auch mal, dass die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften und deinem Kind nicht immer reibungslos ist und manchmal sind die schulischen Anforderungen ziemlich hoch. Daher ist es gut, wenn nach der Schule regelmäßig z. B. beim Mittagessen oder einem gemeinsamen Spaziergang, die Gelegenheit besteht, vom Schultag zu erzählen oder einfach mal abzuschalten. Gemeinsame Aktionen wie Backen, das Basteln von Herbstdeko o.ä. können jahreszeitenbezogen den Familienzusammenhalt stärken. Auch das abendliche Vorlesen oder gemeinsame Lesen sollte nicht zu früh aufgegeben werden, ebenso wenig wie eine Zeit zum Kuscheln und Erzählen vor dem Schlafengehen.

Rituale für Teenager

Rituale für Kinder sind meist einfach zu etablieren und durchzuhalten, weil die Kinder selbst viel Wert darauflegen. Teenager weisen ein stärkeres Bedürfnis nach Unabhängigkeit auf und haben auf manche Rituale verständlicherweise keine Lust mehr. Dennoch sollten Eltern sich um gewisse Rituale bemühen bzw. gemeinsam mit ihrem Teenager neue ausprobieren, um die Eltern-Kind-Beziehung weiter zu stärken. So können gelegentliche Spiele- oder Filmabende oder Ausflüge wertvoll sein, die mal als Familie und auch mal nur mit dem Teenager und einem Elternteil durchgeführt werden, im Sinne einer exklusiven Eltern-Kind-Zeit. Besprecht, wie ihr eine gemeinsame Mahlzeit in euren Alltag integrieren könnt. Oft ist ja auch der Alltag bei Teenagern terminlich schon gut gefüllt.

Rituale für Eltern

Auch für Eltern sind Rituale förderlich, weil sie ihnen im herausfordernden Alltag Struktur und Sicherheit bieten. Hilfreich können zum Beispiel feste Zeiten für “Me-Time” sein, in der sich ein Elternteil nur um sich selbst kümmert und einfach macht, was ihm/ihr gut tut. Aber auch wiederkehrende Verabredungen mit dem Partner*in oder anderen Bezugspersonen können wie kleine Kraftinseln wirken, zum Beispiel “an jedem ersten Montag im Monat Saunabesuch mit Anna” oder “Jeden Freitag Date Night”.

Tägliche Rituale

Bestimmte Rituale sollten möglichst täglich wiederholt werden, zum Beispiel:

  • Körperpflege-Routinen, die Eltern ihren Kindern beibringen wie Zähneputzen, Waschen
  • gemeinsame Mahlzeiten
  • Verabschiedungsroutinen
  • Hausaufgaben, kleine Haushaltsaufgaben
  • Abendrituale wie gemeinsames Lesen, Singen und Reden

Es ist nicht schlimm, wenn an einzelnen Tagen mal ein Ritual ausfällt oder verändert werden muss. Mütter und Väter sollten aber gerade bei kleineren Kindern mit Protest rechnen und möglichst verständnisvoll erklären, warum es heute ausnahmsweise anders läuft. Ständige Ausnahmen sollten dabei vermieden werden, da Rituale sonst ihre sicherheitsspendende Wirkung verlieren.

Rituale fürs Wochenende

Das Wochenende ist eine besondere Zeit, auch im Familienalltag. Meistens darf alles etwas langsamer und gemütlicher geschehen und das ist gut so! Der Erholungseffekt des Wochenendes kann durch bestimmte Rituale verstärkt werden, die auch den feierlichen Charakter der zwei freien Tage betonen. Solche Rituale für das Wochenende können zum Beispiel sein:

  • Eltern und Kind holen gemeinsam Brötchen
  • Es gibt einen etwas aufwendigen Nachtisch, zum Beispiel Obstsalat oder selbstgemachten Pudding
  • etwas längeres Schlafen ist erlaubt
  • am Samstag wird gemeinsam der Haushalt und Einkauf erledigt
  • am Sonntag ist z. B. Zeit für Erholung, Hobbys, Sport, Familientreffen oder gemeinsame Spiele

Rituale für Feiertage

Erwachsene erinnern sich häufig noch sehr lebhaft daran, wie in ihrer Kindheit Festtage wie Weihnachten, Ostern oder Geburtstage gestaltet worden sind. Rituale an Feiertagen haben einen großen Einfluss darauf, wie Kinder diese besonderen Tage erleben und einordnen. Sie helfen Kindern, zu verstehen, was an diesen Tagen wichtig ist und, worauf man sich immer wieder freuen kann. Gleichzeitig kann es bei Veränderungen, z. B. Umzügen, Trennung der Eltern usw. auch wichtig sein, neue Rituale zu finden, die aber möglicherweise einige alte Rituale zumindest berücksichtigen. Das schafft Kontinuität und fördert ein Gefühl von Geborgenheit für Kinder. Rituale für Feiertage können zum Beispiel bestimmte Lieder, bestimmte Gerichte (gern auch gemeinsam kochen oder backen) und Aktivitäten (Spiele, Spaziergänge, Dekoration) sein.

Was haben Rituale mit Stressreduktion zu tun?

Inzwischen gibt es Studien, die belegen, dass Rituale das Empfinden von Stress deutlich reduzieren können. Das hängt damit zusammen, dass Rituale eine vertraute, routinierte Tätigkeit in eine herausfordernde, oft unbekannte Situation bringen. Dadurch wird das Gefühl von Kontrolle gestärkt sowie oft auch ein Gefühl von Zusammenhalt und sozialer Unterstützung. Der Besuch bestimmter Orte kann eine solche Wirkung haben, ebenso wie Gespräche mit vertrauten Personen, das Spazierengehen an Orten, an denen man sich wohl fühlt oder auch nur das Anschauen eines Fotos von einem solchen Ort. Auch vertraute Gerüche oder Lieder und Atemübungen bergen dieses Potenzial. Kindern können auch sogenannte Übergangsobjekte wie ein geliebtes Kuscheltier oder ein Tuch, das nach Mama oder Papa riecht, Sicherheit vermitteln.

Video-Tutorial "Rituale: Wie sie uns im hektischen Familienalltag helfen"

Familien haben verschiedene Lieblingsrituale - im Bett Karten spielen, gemeinsam Sport machen, zusammen Abendessen. Warum hängen wir eigentlich an den immer gleichen Abläufen und wie helfen sie uns im hektischen Familienalltag?

Fazit

Rituale helfen also Kindern wie auch Erwachsenen, sich selbst zu strukturieren, Geborgenheit auch in Situationen von Veränderung oder Ungewissheit zu erleben und sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen. Daher gibst du deinen Kindern durch Rituale besondere Kraftquellen an die Hand, von denen sie ihr ganzes Leben zehren können. Nimm’ dir Zeit, Rituale zu entwickeln oder auch bei Bedarf gemeinsam mit den Kindern zu verändern. Überlege, wo vielleicht noch Rituale fehlen oder regelmäßiger vorkommen dürfen, damit in eurer Familie so viele Bedürfnisse wie möglich erfüllt werden. Und bei alledem – sei liebevoll mit dir selbst! Die besten Rituale entstehen oft ganz nebenbei und das Wichtigste Ritual ist eine einfache Umarmung mit den Worten: “Ich hab’ dich lieb!”